(Marchtrenk, 25. Mai 2022) Das Mekka vieler Musiker heißt Treppendorf. Tausende fahren jedes Jahr in das nur 201 Einwohner zählende Örtchen in Oberfranken. Ihr Ziel: das Musikhaus Thomann. Rund 90.000 Artikel liegen permanent im Logistikzentrum auf Lager. Wer sich im Shop für ein Instrument entschieden hat, kann es bereits eine halbe Stunde später in seinen Kofferraum laden – wobei der Löwenanteil des Umsatzes im Online-Shop erzielt wird.
Online-Besteller bekommen ihre Ware nicht nur schnell, sondern in aller Regel in nur einem einzigen Paket – unabhängig davon, ob sie einen Artikel oder zehn bestellt haben. Was nachhaltig ist und Versandkosten spart, stellt eine logistische Herkulesaufgabe dar: das Zusammenführen von kleinen und großen Artikeln, Schnell- und Langsamdrehern.
Langjähriger Intralogistikpartner von Thomann ist die TGW Logistics Group. 2008 begann TGW als Generalunternehmer mit der Automatisierung des Versand-Center-Süd (VCS) in Treppendorf. „Wenn gleichzeitig Bestellungen und Artikelzahl stark steigen oder die Anforderungen sich ändern, müssen Unternehmen eher früher als später über Erweiterungen nachdenken, damit sie zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen“, sagt Markus Kammerhofer, Director Sales Retro bei TGW. „Bei Thomann stieg der Umsatz in den vergangenen Jahren im zweistelligen Prozentbereich, sodass die 2008 beauftragte Anlage das heutige Volumen niemals schaffen könnte“, ergänzt Norbert Groth, technischer Leiter Logistik bei Thomann. Neben dem Versand-Center-Süd läuft daher seit 2017 auch das Versand-Center-Nord (VCN).
2009 stand Thomann eine Anlage zur Verfügung, die 20.000 Pakete am Tag verarbeiten konnte. Errichtet wurde ein vier-gassiges Automatisches Kleinteilelager (AKL) mit 70.000 Behälterstellplätzen und Kommissionierung für Schnelldreher, TGW installierte acht Regalbediengeräte vom Typ „Mustang“. Zudem stand Thomann nach zwei Ausbaustufen 2010 ein automatisches Palettenlager mit fünf Gassen und 18.000 Stellplätzen zur Verfügung. Herz der Anlage war ein Natrix-Sorter, Mitarbeiter verpackten die Waren an 32 Packstationen.
Auf die Anlagenleistung nach der zwölf Millionen Euro teuren Investition war Hans Thomann stolz: Der Ausstoß war im Vergleich zu früher um 40 bis 50 Prozent höher. Die Durchlaufzeit konnte auf 28 Minuten gedrückt werden. Das Erweiterungskonzept von TGW war erfolgreich. Der Kommissionierprozess wurde für die verschiedenen Warengruppen unterschiedlicher Größen – vom Instrumentenkabel bis zum E-Piano – optimiert. Gesteuert wurde die Anlage von TGW-Software. Die rund vier Millionen Kunden konnten aus 65.000 Artikeln ihre gewünschten Waren wählen. Doch sowohl die Zahl der Kunden als auch die Zahl der Artikel stieg. Hans Thomann entschied sich daher für den Bau des Versand-Center-Nord (VCN) – erneut mit TGW als Partner of Choice.
2017/18 ging dieser Bereich in Betrieb. Der Auftrag für das Hochregallager umfasste 21.000 Palettenstellplätze, dazu kam ein Shuttlesystem mit sechs Gassen und 110.000 Stellplätzen für Kleinteile. Thomann investierte zudem in automatisierte Kartonaufrichter und -schließer sowie eine effiziente Ware-zur-Person-Kommissionierung. Darüber hinaus modernisierte TGW auch das WMS. Heute nutzt Thomann die TGW Warehouse Software für die Bereiche Warehouse Management System (WMS), Warehouse Control System (WCS) sowie Material Flow Controler (MFC).
Weil die Ausbaustufen mit TGW erfolgreich über die Bühne gingen, gab Thomann 2020 grünes Licht für weitere Projekte. Das Hochregallager sollte erweitert werden, um den Nachschub zu verbessern. Zudem nahm zu Beginn des Jahres 2022 im VCS ein neuer Warenausgangsloop mit automatischer Etikettierung für bis zu 2.000 Pakete pro Stunde den Betrieb auf. Weil die Coronapandemie das E-Commerce-Geschäft beschleunigt, denkt Thomann über weitere Ausbauprojekte nach.
Dank der Erweiterungen hat Thomann die Durchlaufzeit von 28 Minuten auf etwa 20 Minuten gesenkt – und das bei einem Anstieg der Artikel von 65.000 auf 90.000. Statt vier Millionen Kunden werden heute mehr als zwölf Millionen in ganz Europa mit Waren aus Treppendorf versorgt.
„Die oberste Regel lautet: Der laufende Betrieb darf bei den Erweiterungen und Modernisierungen nicht gestört werden“, betont Norbert Groth. Zu den Erfolgsfaktoren für die Projektumsetzung gehören laut den Experten aus der Retrofit-Abteilung von TGW eine detaillierte Planung, intensive Tests, ein umfangreiches Pflichtenheft, eine genaue Definition der Prozesse und ein ausgeklügelter Zeitplan. Ein sogenannter Big Bang war in Treppendorf nie möglich. Weil das E-Commerce-Geschäft keine wochenlangen Betriebsferien erlaubt und eine Sechs-Tage-Woche im Lager üblich ist, mussten die Lückenschlüsse zwischen Freitagabend und Montag sechs Uhr stattfinden.